Immer wieder wird man als Mama darauf angesprochen, wie es denn nun mit dem Nachwuchs so sei. Man wolle ihn sicherlich den ganzen Tag nur knuddeln und lieb haben… Achtung, jetzt kommt etwas Schockierendes und wer Wahrheiten nicht verträgt, sollte lieber wieder das Weichspülprogramm einiger TV-Sender einstellen und aufhören zu lesen…
Ich möchte hiermit allen Frauen Mut machen, die nicht von Sekunde Eins die engsten und innigsten Gefühle zu ihrem Neugeborenen verspürt haben, so als hätte man quasi einen Teil von sich nach außen katapultiert. Es gibt sogar Frauen in meinem Bekanntenkreis, die solche Depressionen erfuhren, dass sie ihr Baby tagelang nicht richtig stillen und im Arm halten konnten. Ja, liebe Stillmafia, das gibt es und wir wollen deswegen niemanden verurteilen, denn der Hormoncocktail wirkt halt bei jedem etwas anders. Außerdem wage ich auch zu bezweifeln, dass die von mir innigst geliebten Übermamas ihr Neugeborenes, das in einem Krankenhaus zur Welt kam (in einem Geburtshaus oder zuhause mag das in der Tat ein Unterschied sein), ihr Baby in einem Raum mit hundert anderen Schreihälsen (wahllos ausgewählte fiktive Annahme) auf Anhieb erkennen würden.
Wie war das nun also bei Samu und mir? Wie ich ja bereits schon berichtete, als es um meine Schwangerschaft ging, würde ich jeden töten, der meinem Baby irgendetwas Schlechtes antun will – einfach aus Prinzip, macht man halt so. Dennoch muss ich gestehen, dass ich einige Tage brauchte, bis ich auch Samu völlig in die tiefsten Kammern meines Herzens hineinließ. Dies hatte überhaupt nichts damit zu tun, dass sein Händchen fehlte. Klar, ich war bei der Geburt überhaupt nicht so tiefenentspannt, wie bei seinem Bruder und war voller Sorge, ob sonst alles in Ordnung sei, aber auch beim felligen und menschlichen Bruder brauchte das seine Zeit. Ich würde diese Phase tatsächlich als Verliebtsein bezeichnen, die sich Tag für Tag in Liebe verwandelte. Und zugegeben, auch das Verliebtsein entwickelte sich bei mir erst in den Stunden nach der Geburt. Zum einen war ich halt voller Sorge und Anspannung, zum anderen lädt der OP-Tisch nicht zur molligen Candle-Light Atmosphäre ein. Prinzipiell bin ich auch nicht der Typ, der an Liebe auf den ersten Blick glaubt. Wie sage ich so schön: „Lauf doch noch einmal vorbei, dann vielleicht!“. Genauso war es bei allen meinen Jungs: Papa, Hundling (Reihenfolge der Geburten muss hierbei tunlichst eingehalten werden), Wipu 1 und little John.
Jede Stunde, die ich intensiv mit meinem kleinen Samu verbrachte (manchmal nannte ich ihn auch noch Bettinerich; war ich ja schließlich so gewöhnt), liebte ich ihn mehr. Da durch Corona unsere Kennenlernphase nur durch Klinikpersonal gestört wurde, konnten wir ausführlich kuscheln, knutschen, Geheimnisse erzählen, nackte Haut aufeinander reiben, lachen und uns einfach lieb haben. Und ja, beim Verlassen des Krankenhauses hätte ich meinen Samu unter hundert weiteren Babys erkannt, denn aus Verliebtsein ist Liebe geworden.