Ersatzhebamme Diana

Nun bin ich ein Mensch, der es gewohnt ist, nachts kreativ zu sein, zu denken und manchmal eben auch zu handeln. Dies hat sich Samu in Perfektion in den ersten drei Monaten abgeschaut. Und liebe Neumamas, ich kann euch aus eigener Erfahrung versprechen, exakt mit Ablauf der berühmten zwölf Wochen Anpassungsstörung wurde es besser – kaum zu glauben, aber wahr, man kann den Timer danach stellen.

Nun gut, die ersten Wochen brachte mich mein Kind allerdings wie bereits im Beitrag „Aus Samu Rai wird Samu Schrei“ beschrieben, zur Weißglut. Man will ja aber die arme Hebamme nicht auch noch des Nächtens nerven, hat eh schon genug zu tun. Dennoch hat man Fragen, viele Fragen. Zumal Lian so ein einwandfreies, problemloses Kind war. Also musste eine Ersatzhebamme für die Nacht her.

Diana ist Mutter von drei Kindern; ihr Jüngster ist lediglich ein Dreivierteljahr älter als Samu. Wir kennen uns seit nunmehr fast zwanzig Jahren – oh mein Gott, die Zahl erschreckt mich gerade. Und wir sind in vielerlei Hinsicht seelenverwandt.

Kennengelernt haben wir zwei uns bei unserer Ausbildung zur Einzelhandelskauffrau und was soll ich sagen… Es passte wie Arsch auf Eimer: beide ne große Klappe und ausm Osten, dazu derselbe Humor und dieselbe Einstellung – perfekt. Ich kann mich an so viele lustige Momente aus unserer gemeinsamen Azubizeit erinnern, dass ich allein darüber einen Blogeintrag schreiben könnte. Eine Episode davon will ich euch jedoch nicht vorenthalten…

Man behauptet ja so schön, dass Lehrjahre keine Herrenjahre seien. In unserem damaligen Unternehmen war das in vielerlei Hinsicht Programm, obwohl ich behaupten würde, dass wir die beste Ausbildung im Einzelhandel genossen, die Azubis bekommen konnten. Das Kleingeld stimmte im Übrigen auch. Nun war es Firmenphilosophie, dass auch die Lehrlinge, wie die Chefetage, Schulungen in einem 5-Sterne Hotel erhielten (das aufgrund zweier berühmter deutscher Schlagerstars über unsere Landesgrenzen bekannt ist) und zwar eine ganze Woche lang, jedes Lehrjahr. Am ersten Vormittag lernten wir noch brav. In den darauffolgenden Tagen mussten wir alle zusehen, dass wir die Augen offen behielten. So nahmen wir die Lehrinhalte zum Thema „Jim Jack und Jonny“ sowie „Wein, Champagner und Co.“ sehr ernst – die einzelnen Geschmacksnoten mussten schließlich mit dem eigenen Gaumen herausgefiltert werden. So begann ein Abend damit, dass wir schön den Schampus in der Badewanne genossen, um danach frisch erholt, den Caipi aufs Zimmer liefern zu lassen, um mit den anderen Genossen eine dicke, fette Azubi-Party zu feiern. Hin und wieder hatte vor allem ich dann nach diesen Ritualen Oberwasser und legte mich noch zusätzlich mit unserer 45kg Russin Anastasia an. „Dich sauf‘ ich doch locker unter den Tisch, du Fliegengewicht!“, proletete ich noch . Dass Damen aus der ehemaligen Sowjetunion wahrscheinlich schon mit Wodka im Blut groß werden, unterschätzte ich dabei wohl gänzlich. Nützte nix, mussten schließlich auch die Spirituosen verköstigt werden. Während Diana wohlweislich irgendwann ausstieg, kannte ich kein Ende und verlor, gegen Anastasia!!! Mein Hasenpüpschen sorgte auf jeden Fall dafür, dass ich auch im richtigen Bett landete – dafür post exercitatione herzlichen Dank.

Ich habe keine Ahnung, wie wir damals diese Woche überstanden, denn unsere Nachmittage starteten bereits mit Alkohol; mit ganz viel Alkohol. Dennoch mussten wir auch lernen, denn alle zwei Tage standen Tests an. Mir ist es wirklich bis heute ein Rätsel, wie wir das durchstanden und vor allem, wie es uns auch noch gelang, gute Noten zu schreiben. Badewanne, Schampus und Lernkarten waren vielleicht gar keine so schlechte Mischung… Naja, während wir den Luxus in unserer Ausbildung noch in vollen Zügen genießen konnten und wir uns bei jedem Seminar aufs Neue freuten, dass wir nun mal die Firma ausbeuteten wie diese das ganze Jahr uns, so wurde diese Ehre dem nachfolgenden Jahrgang nicht mehr zuteil – woran das wohl lag???

Ihr seht also, wir kennen uns in und auswendig. Und auch wenn unsere Freundschaft hin und wieder von Funkstille geprägt war, werden wahre Seelenverwandte sich immer irgendwann wieder finden. So auch wir und das war gerade mit meinem Samu Schrei ein Segen.

Eigentlich wollte ich noch einmal in unsere unzähligen Sprachnachrichten hineinhören, die wir uns besonders gern in der Nacht aufsprachen, allerdings muss ich zugeben, dass dies meinen zeitlichen Rahmen sprengen würde, denn sie waren wirklich lang (zwischen 10-25min). Unsere Lieblingsthemen umfassenden selbstverständlich die komplexen Bereiche rund ums Kind: Stillen und Abpumperei (in diesem Zusammenhang war auch die Ernährung ein Thema), nächtliche Ruhestörungen durch die kleinen Terroristen, Kinderkrankheiten, Bürokratie und und und… Dennoch fanden wir hin und wieder auch anderen Unterhaltungsstoff. So schwelgten wir beispielsweise in Erinnerungen, unterhielten uns über unsere Verwandtschaftsverhältnisse, über Esoterik, zukünftige Reiseziele (also die, die wir in 20 Jahren dann zusammen ohne Kinder angehen), unsere Gemeinsamkeiten, die im Übrigen erschreckend sind, oder quakten über unsere Ehemännchen.

Ich kann mich wirklich nicht erinnern, dass wir seit der Geburt von Samu (oder auch die Jahre zuvor) einmal ernsthaft gestritten hätten. So wie damals beim Lernen unterstützten wir uns nun mit unseren Kinderthemen, oder besser gesagt Diana mich, schließlich hat sie dahingehend schon ein Kind mehr Erfahrung. Ich möchte mich auf diesen Weg auf jeden Fall noch einmal ganz herzlich bei dir bedanken und ich weiß ja, dass du fleißig mitliest 😉. Du warst, insbesondere bei meinem jüngsten Kind, eine ganz große Stütze, wenn ich bereits am Rande des Nervenzusammenbruchs war. Es gab keine einzige Frage, die von dir nicht SOFORT beantwortet wurde und auch keine einzige Aussage stimmte nicht mit der der Hebamme überein. DANKE, DANKE, DANKE! Obwohl wir nun leider einige Kilometer entfernt wohnen, hoffe ich, dass mich mein Seelenhasenpüpschengschmusi ein Leben lang begleiten wird!

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