Panik auf der Titanic

Am 26.Juli kamen meine Nichten mit meiner Schwester zu Besuch. Da diese in Österreich leben, hatten wir uns nun schon länger nicht gesehen und freuten uns darauf, ein paar Tage miteinander verbringen zu können. Natürlich war damit noch mehr Leben in der Bude, aber es ist gleichzeitig auch so schön zu sehen, wie vor allem mein Großer und meine kleine Nichte wunderbar miteinander harmonieren, flitzen und spielen, obwohl sie sechs Jahre Altersunterschied haben.

Am 30.Juli feierten wir den Geburtstag der älteren Maus. Sie wurde 14 Jahre alt und Tantchen ging es nach wie vor gut. Einen Tag vorher backte ich noch zwei Kuchen und bereitete den Purzeltag vor, damit auch das große Kind einen schönen Geburtstag mit tollen Leckereien erhielt. Wir genossen den Tag: waren Ponyreiten mit den Kindern, malten auf der Straße und aßen Pizza am Abend und noch immer ging es mir blendend.

Als die Ösis am 1.August abreisten, merkte ich, dass sich merkwürdige blaue Flecken am Körper gebildet hatten und ich latente Kopfschmerzen bekam, dachte mir allerdings noch nichts dabei, da ich ja vier Kids im Haus hatte und mit diesen auch herumgetobt bin. Der Schmerz im Kopf nahm allerdings zu.

Am Abend führte ich meine gewohnte Korrespondenz auf der Hundewellnessrunde, sprich ich quatschte allen möglichen Leuten Voicemails auf und antwortete entweder auf ihre Nachrichten oder meldete mich mal wieder.

Meine bayrischer Grasdackel antwortet mir innerhalb von wenigen Minuten ganz panisch auf die Schilderung meiner Beschwerden. Ich solle sofort zum Arzt, sie hatte das auch. Ich müsse Thrombosen ausschließen lassen und überhaupt und sowieso gefährlich und so weiter. „Ja,ja…“, dachte ich mir, „mein kleines panisches Evchen übertreibt mal wieder maßlos!“. Doch die Schmerzen im Kopf waren mittlerweile ein vertrautes Gefühl. Also entschied ich mich dazu, habe ja schließlich zwei Kinder, doch noch einmal nen Arzt diesbezüglich zu befragen.

Kurz ner Freundin ne Whats-App aufgelabert und versendet. Es dauerte nicht lange, bis ich schon einen Sprachanruf von ihr verbuchen konnte, den ich aber verpasste, da ich gerade die Kids ins Bett brachte. Es war auch mal wieder Nachtschichttime meines Mannes, was ja bedeutet, dass meine Zeit rar bemessen war. Als die kleinen Rabauken endlich schliefen, rief ich sie zurück. Sie überreichte mich an ihren Mann, der in der Notaufnahme arbeitet. Dieser hörte sich meine Geschichte an und riet mir dann schon mit Nachdruck dies mittels eines Blutbildes die Symptomatik abklären zu lassen. Natürlich liege das in meinem Ermessen und selbstverständlich könne ich auch erst morgen (sprich am Montag) zum Hausarzt gehen. Sollte aber irgendwas sein, ist natürlich je früher desto besser angesagt.

„Super“, schrie ich innerlich, „wie soll ich das denn jetzt mit zwei Kids anstellen?“. Mir boten die beiden an, dass ich die Kinder vorbei bringen könnte, solange ich in der Klinik sei, aber diese zu wecken und ein Theater, dass sicherlich besser als jede griechische Tragödie geworden wäre, wollte ich nun auch nicht heraufbeschwören. Außerdem wohnt ja meine ganze Schwiegerfamilie nebenan, da wäre es auch doof gewesen, eine andere Familie mit zwei Kleinkindern zu beauftragen. Ich bedankte mich ganz herzlich und legte auf.

Nun begann die halbe Stunde des Grübelns. Was mach‘ ich bloß, was mach‘ ich bloß? Es war mittlerweile halb zehn am Abend, die Kinder schliefen, wie bereits erwähnt, und meine Schwiegerleute wollte ich irgendwie auch nicht schon wieder einspannen. Ich tippte in mein Handy: „Ruf mich bitte mal zurück, ist wichtig!“. Kurze Zeit später bimmelte es und mein Mann war an meinem Handapparat. „Was ist los? Ist was passiert?“, fragte er. Ich schilderte die Thematik und bevor ich das richtig diskutieren konnte, ließ mein Männle schon verlauten, dass er in der Leitstelle Bescheid gebe und sich dann auf die Socken mache.

Exakt 22:10 Uhr war ich in der Notaufnahme und schilderte der sehr freundlichen Dame am Empfang (dieses Mal ohne Ironie zu verstehen) meine Symptome. Danach begann die Zeit des endlosen Wartens. Ich hörte derweil einen äußerst interessanten Podcast zum Thema Immobilien und Altersvorsorge, weshalb die Zeit etwas schneller verging. Dennoch frage ich mich jedes Mal, was denn da alles hinter den Kulissen so abläuft. Von besagter Uhrzeit bis 00:30 Uhr kam kein Notfall rein und nichtsdestotrotz sitzt man da und sitzt und sitzt und wartet und sitzt immer noch. Halb eins in der Nacht erbarmte sich dann mal jemand mich dran zu nehmen. „Also ganz ehrlich“, dachte ich mir „wenn ich jetzt wirklich diese Sinusvenenthrombose im Gehirn hätte, ist auch gerade mal alles zu spät. Sieben Stunden später zum normalen Arzt hätte ich dann wahrscheinlich auch noch überlebt“, natürlich aus völliger Laiensicht beurteilt.

Irgendeine hochintelligente Schwester nahm mir Blut ab und befragte mich zu meinen Symptomen. Hierbei muss ich mal loswerden, dass es schon auch nett wäre, wenn sich das untersuchende Volk dem Pöbel auch mal vorstellen könnte. Hätte ich nämlich gewusst, dass ich nicht die Ärztin vor mir habe, hätte ich meine Geschichte kürzer gefasst. Nun berichtete ich aber brav und in aller Ausführlichkeit meine Geschichte, dass blaue Flecken und extreme Kopfschmerzen aufgetaucht wären, dass mich ein befreundeter Arzt gern zur Abklärung in der Klinik sehen würde bla bla bla. Und was sagt die verplante Nudel zu mir??? Warum mich mein befreundeter Arzt nicht selbst untersuchen würde? Ich schaute sie entgeistert an, schüttelte mich kurz, aber nein, ich hatte mich wie immer nicht verhört und musste mich mal wieder schwer beherrschen, nicht aus dem Korsett zu hüpfen.

Also antwortete ich ihr in aller Ruhe, dass nicht jeder Arzt gerade im Dienst sei, dass nicht jeder Arzt single ist und privat alle möglichen Freunde mitten in der Nacht behandeln möchte und zu guter Letzt, dass nicht jeder Arzt ein Labor in seinem Keller hat, um mal eben Blutproben zu analysieren. Gut, wenigstens schien meine Aussage die dumme Nuss zufriedengestellt zu haben, denn sie verabschiedete sich mit den Worten: „Die Ärztin kommt gleich.“. Nun wollen wir mal wieder nicht auf die Goldwaage legen, was im Krankenhausjargon gleich bedeutet, aber nachdem mein Mann mir schrieb, dass mein Großer aufgewacht sei, rangen bei mir alle Alarmsirenen, denn wie im vorherigen Beitrag beschrieben, erahnt ihr vielleicht, was dies bedeutet.

Nun ist man ja als alter Ossi dazu erzogen worden, brav abzuwarten, höflich zu sein und wenig Druck zu verbreiten. Ok, ich gebe zu, ich hielt mich schon seit meiner frühen Jugend nicht an alle diese Punkte, aber ich übe mich wirklich in Geduld. Nachdem man mich aber eine Stunde in diesen Hamsterkäfig von Zimmer sitzen ließ, ohne mir irgendwelche Infos zukommen zu lassen, wie es jetzt weitergeht, brach ich aus. Ich teilte mit, dass bei mir zuhause der Baum brennt und dass ich gedenke, die Flitze zu machen. Plötzlich waren die Blutwerte da und die Ärztin sprechbar. Alles soweit i.O., sollte ich allerdings weiterhin Kopfschmerzen haben, müsse ich dies dringend erneut abklären.

Als ich um 2:00 Uhr am Morgen zuhause ankam, erwartete mich ein völlig aufgelöstes Kind, dass nicht begreifen konnte, dass seine Mama mitten in der Nacht plötzlich einfach mal nicht zu sprechen war. Ich erklärte meinem Großen, dass ich Kopfschmerzen hatte und mir deswegen in der Klinik Tabletten geholt hatte. Jeder Erwachsene hätte mich für diese Art der Begründung ausgelacht oder für verrückt erklärt, aber meinem Sohn reichte das völlig. Er schlummerte innerhalb kürzester Zeit wieder ein. Mein Mann könnte dann immer zum Fuchs werden: aus 1,5h Theater wird plötzlich wieder heikler Sonnenschein in Nullkommanix, Hauptsache Mama is in the house. Die Schmerzen in meinem Kopf hatte ich in diesem Stressmoment kurz vergessen, aber sie kamen wieder…

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