Wir schreiben heute einen Tag im Januar 2022 und mal wieder durchbreche ich die Chronologie, weil es einfach hervorragend zu den vorangegangenen Beiträgen passt und ich es quasi taufrisch berichten kann.
Ich freute mich sehr auf die heutige Geburtstagsfeier meiner Freundin. Es hieß für mich nicht nur, dass ich meinen Brosi, wie wir uns gegenseitig liebevoll bezeichnen, sehen werde, sondern auch einfach mal ein bis zwei Stündchen Zeit mit Erwachsenen verbringen, ohne dass man immer schauen muss, ob jemand stirbt – jeder Elternteil mit Kleinkindern weiß sicherlich genau, was ich meine, besonders wenn man Kamikazekids beaufsichtigen muss.
So machte ich mich also kurz nach dem Mittag auf in unsere Landeshauptstadt und freute mich wirklich sehr auf das bevorstehende Ereignis. Meine Freundin öffnete fröhlich und herzlich die Tür und ich war ganz im Eltern-freie-Zeit-Glück. Drinnen saßen bereits ein weiterer weiblicher Gast plus das Ehemännchen der Gastgeberin. Kurze Zeit später gesellte sich noch eine Freundin dazu.
Wie es natürlich immer so ist, wenn drei Mütter mit kleinen Kindern aufeinandertreffen, nahmen die Kinder großen Gesprächsraum ein, was ich im Nachhinein schon wieder ziemlich blöd fand, denn schließlich sollte eigentlich an so einem Tag das Geburtstagskind und ihr Befinden im Vordergrund stehen.
Auch das das leidige Coronathema zur Sprache kam, lässt sich wohl in diesen Zeiten kaum mehr vermeiden. Danach wurde eine Diskussion entfacht, inwiefern das Gendern in der Gesellschaft wichtig sei. Dazu gab es unterschiedliche Standpunkte, was ja auch völlig in Ordnung ist. Ich für meinen Teil finde es überhaupt nicht schlimm, wenn beispielsweise mein Schulleiter sich nur bei den „Lehrern“ bedankt und die weibliche Form vergisst. Ich fühle mich dadurch nicht weniger angesprochen, habe aber auch Verständnis, wenn es Kolleginnen auf den Zeiger geht. Sagen wir so, ich bin kein Verfechter dieses Themas und stehe dem ganz wertneutral gegenüber – bin quasi diesbezüglich die Schweiz und verstehe beide Standpunkte.
Trotz Diskussionen fand ich die Stimmung ziemlich ausgelassen und mit Sektchen ist sowieso alles prima. Dass mir noch ein Latte Macchiato mit Hafermilch serviert wurde und meine Freundin extra für mich einen veganen Kuchen gebacken hatte, übertraf meine Erwartungen. Großes Dankeschön an dieser Stelle noch einmal dafür, knutsch.
Natürlich würde ich diesen Blogeintrag nicht schreiben, wenn nicht irgendetwas den schönen Nachmittag getrübt hätte… So kam es dazu, und fragt mich bitte nicht, wie wir darauf kamen, dass die Frage aufkam, ob Ehen zwischen Cousin und Cousine in Deutschland erlaubt sind. Das sei wohl der Fall, falls es jemanden interessiert (habe es allerdings ausnahmsweise mal nicht überprüft).
Plötzlich fängt meine Sitznachbarin an, einen Witz oder eine Anmerkung, ich weiß es ehrlich gesagt nicht mehr sicher, was es nun war, denn ich rang nach Fassung, vom Stapel zu lassen, bei dem/der ich nach Luft schnappen musste. Sie äußerte sich nämlich ganz abfällig über behinderte Menschen und ich traute meinen Ohren nicht.
Diejenige, die noch eine Viertelstunde vorher große Reden schwang über Sexismus gegenüber Frauen und wie diskriminierend das sei, sich ebenfalls dafür aussprach, dass es wichtig wäre, auch die weibliche Anrede zu gebrauchen, erklärte nun, dass Menschen, die ihren Cousin oder ihre Cousine heirateten, sich nicht über behinderte Kinder wundern müssten. So oder so ähnlich auf jeden Fall der Wortlau; mir fehlten auf jeden Fall die Worte. Es war für mich unfassbar, wie dies aus dem Mund einer Kollegin kommen konnte, die sich ja scheinbar in anderen Bereichen gegen Diskriminierung stark machte.
Was mich jedoch am meisten ärgerte, war, dass ich zwar in dem Moment merkte, wie meine Freundin und ihr Mann ebenfalls die Luft anhielten und die Situation scheinbar unangenehm fanden, aber ICH nicht in der Lage war, zu reagieren. Ich befand mich ohne Scheiß mal wieder in Schockstarre. „Nur nicht losheulen!“, war mein Motto.
Warum Gott verdammt nochmal ist es mir immer noch nicht möglich, einfach dieser grenzenlosen Beschränktheit etwas entgegenzusetzen? Warum kann ich nicht einfach am Ende dieses auch so tollen Witzes (oder was immer es auch gewesen war) sagen: Du, weißt du was? Ich habe nicht meinen Cousin geheiratet und habe dennoch ein Kind mit Einschränkung!“?
Selbstverständlich hätte dies wahrscheinlich auch die Stimmung gewissermaßen verhagelt und selbst, wenn ich es auf den Lippen gehabt hätte und mein Selbstbewusstsein größer gewesen wäre in diesem Moment, hätte ich eventuell den Kommentar zum Wohle meiner Freundin runtergeschluckt. Am meisten habe ich mich dennoch nicht über diese dumme Eule geärgert, die scheinbar in ihrem Diskriminierungsgedanken eingeschränkt zu sein scheint, sondern über mich selbst.
Wieder einmal weiß ich, dass die Heilung rund um alles, was mit meinem Kind zu tun hat, wohl noch eine Weile an Zeit in Anspruch nehmen wird, denn genau so ein bullshit darf mich zukünftig nicht mehr so aus der Bahn oder besser aus dem Universum kicken, zumal der Tag sonst (inklusiver persönlicher Bewirtung) echt mega war. Spätestens wenn Samu die ersten Negativerfahrungen im Sandkasten oder where ever erlebt, muss ich gesattelt sein und zwar so, dass mich kein Gaul dieser Welt da mehr raus haut. Aber ich arbeite dran, versprochen.