Samus Pflegegrad – die Entscheidung

Kurz nachdem wir aus dem Urlaub zurückgekommen waren, trudelte ein Brief der Krankenkasse bei uns ein. Ich wusste, dass weder ich noch mein Kind eine Arztrechnung erwarteten; Privatpatienten gehen da nämlich immer brav in Vorleistung und nein, uns werden nicht alle Kosten erstattet. Zwar stellt es oft einen Vorteil dar, wenn man einen Termin bei einem Spezialisten braucht, aber auf der anderen Seite bin ich schon ganz oft auf Rechnungsbeträgen sitzengeblieben, die einfach aus Grund xy nicht erstattbar seien. Das ist etwas, was ich in der gesetzlichen Versicherung nie erlebt hatte, es gab eine bestimmte Leistung oder eben auch nicht, fertig.

Sei es drum… ich wusste jedenfalls, dass es der Bescheid sein müsste, bei dem es um den Pflegegrad meines Kindes geht. Ich drehte also den Brief von einer Seite zur anderen und wieder zurück. Als könnte ich dadurch den Inhalt erraten. Innerlich machte ich mich schon darauf gefasst, dass die Entscheidung nicht zu unseren Gunsten ausgefallen war, da mir dies die Dame des medizinischen Dienstes ja schon in Aussicht gestellt hatte.

„Ok, Sue! Aufmachen, lesen, aufregen, Anwalt konsultieren.“, ging es mir durch den Kopf. Also atmete ich ein, ich atmete aus und riss den Brief auf und las. Ich las es noch einmal und noch einmal, um auch wirklich den Inhalt 100%ig richtig zu erfassen. Da stand es tatsächlich schwarz auf weiß:

„Sehr geehrte Frau Lorenz,

das Gutachten des Medizinischen Dienstes der privaten Pflegepflichtversicherung liegt uns nun vor. Der Gutachter bestätigt, dass die Voraussetzungen für den Pflegegrad 2 erfüllt sind.“

Ich machte einen Luftsprung und begann innerlich ein Freudenfest abzuhalten. Konnte es wahr sein, dass ich mal ohne erbitterlichen Kampf etwas in meinem Leben erreicht hatte? Ganz ohne Anwalt? Ohne Zeitaufwand? Ohne Stress? Ernsthaft?

Im Nachhinein wollte ich schon meinen Artikel „Mrs. Spaßbefreit reist an“ abmildern, habe mich aber dagegen entschieden. Denn ich habe es mir zur Aufgabe gemacht, Betroffenen und allen denjenigen, die es lesen wollen, ehrlich zu schildern, wie wir gewisse Situationen, Untersuchungen oder Personen dabei erlebt haben und dafür bedarf es eben keiner rosaroten Brille, sondern der nackten Wahrheit. Inwiefern die Entscheidung letztendlich auf die Beurteilung der Dame zurückzuführen ist, wage ich eh zu bezweifeln. Sie wird einfach die Punkte auf ihrer Liste abgearbeitet haben und gut. Eine abschließende Begutachtung aus der Ferne nimmt sicherlich die Pflegekasse selbst vor, indem mit ähnlichen Fällen verglichen wird.

Es war mir letztendlich auch völlig egal, wie es nun plötzlich doch zu einem positiven Ergebnis kam, wichtig war es, dass uns der Pflegegrad und damit auch die einhergehenden Leistungen zugesprochen wurden. Da ich Beamtin bin, musste ich mit diesem Schreiben natürlich nun noch meinen Anspruch bei der Beihilfestelle geltend machen, was zwar wiederum viel Papierkram bedeutete, wobei ich mir aber hinsichtlich der Zahlungen überhaupt keine Gedanken mehr machte.

Ich weiß, dass betroffene Familien wie wir oft damit hadern, ob man einen Pflegegrad beantragen sollte, aber bei näherer Betrachtung ist uns kein Grund eingefallen, weshalb nicht. Selbstverständlich hätte ich auch gern ein komplett gesundes Kind und wäre auf den ganzen Quatsch nicht angewiesen, da es aber nun mal nicht so ist, und mein Kind sicherlich Therapiebedarf in seinem Leben haben wird, ich deshalb nicht so in den Beruf zurückkehre, wie ich das vorhatte, sehe ich mich in keinster Weise als jemand, der die staatlichen Leistungen ausnutzt. Auch hat man in seinem Job dann noch einmal andere Rechte, wenn man jemanden betreut, der pflegebedürftig ist. Mir fiel also nach langer Überlegung kein Grund ein, den Antrag nicht zu stellen und ich möchte hiermit jeden ermutigen, keine falsche Bescheidenheit an den Tag zu legen. Glaubt es mir: der Staat schenkt einem nichts, was einem nicht auch zusteht.

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