Wir befinden uns in meiner Zeitrechnung gerade im Februar des Jahres 2023 und die Sonne, die in den letzten Tagen schien, steigerte extrem mein Wohlbefinden. Ich hatte für mich herausgefunden, dass ich jeden Tag ein paar Minuten Me-Time brauchte, und wenn dies auch nur hieß, mit dem Hund einen ausführlichen Morgenspaziergang an meinem freien Tag zu unternehmen.
Genau dies tat ich an einem Mittwochmorgen. Zudem waren noch sämtliche Unterrichtsstunden aufgrund von Exkursionen meiner Klassen für mich am Vormittag ausgefallen, sodass mein Arbeitstag sich ausnahmsweise auf eine Doppelstunde ab 11:25 Uhr konzentrierte – herrlich.
Ich genoss jeden einzelnen Atemzug an der frischen Luft, schaute mir die Natur genauer an, interagierte mit meinem Hund und sog alle Sonnenstrahlen auf, die ich erwischen konnte. Es war eben ein ganz hervorragender Start in den Tag mit viel mehr Achtsamkeit als früher und nicht so viel Stress wie sonst. Als mich dann noch eine Schülerin für tollen Unterricht lobte (der in meiner Wahrnehmung alles andere als das war), schien mein Tag perfekt.
Ich freute mich nun kurz nach zwei Uhr auf meine Jungs, mit denen ich einfach den restlichen Tag verbringen wollte und so machte ich mich auf den Weg in den Kindergarten. Da mein Großer bereits Omazeit genoss, war nur Samu abzuholen.
Alles verlief eigentlich wie immer… Meine kleine Maus stand in seinem Schneeanzug hinter der Tür und wartete auf mich. Als er mich sah, durfte er losdüsen, um mich zu empfangen und mir ein dickes Küsschen aufzudrücken. Ich genieße diese Zeit der wahnsinnigen Nähe übrigens sehr und hoffe, dass diese NIEMALS endet ☹.
Nachdem ich kurz mit Samus Erzieherin Rücksprache gehalten hatte, ob alles gut war, liefen wir zum Auto. Im Garten, der nach draußen führt, sprang hinter uns währenddessen ein Kind, das wir aus früheren Gruppenkonstellationen eigentlich ganz gut kennen. Plötzlich überholte er uns und sah Samu ganz genau an. „Ach du bist es, Samu. War mir nicht ganz sicher“, eröffnete der Kleine seine Rede. „Weißt du was ich mir überlegt habe…? Du kannst doch mit deiner Hakenhand zu Fasching als Pirat gehen. Das würde doch voll gut passen oder was meinst du?“
Ich war ehrlich gesagt ziemlich sprachlos und wusste nicht, was ich in diesem Moment mit dem Kind machen sollte. Selbstverständlich ist mir schon lange klar, dass genau solche Ereignisse immer öfter auch ein Thema bei uns in der Familie oder auch in Samus Freundeskreis sein werden, aber ich war einfach nur völlig perplex von dieser Äußerung, die sicherlich keinesfalls böse gemeint war.
Ein paar Sekunden überlegte ich dann doch, ob ich dem Jungen erklären sollte, dass das eigentlich nicht der richtige Umgang sei mit einem Kind, dem die Hand fehlt. Denn schließlich verkleidet sich ein Mädchen mit roten Haaren und Sommersprossen nicht zwangsläufig als Pippi Langstrumpf oder ein Kind mit Migrationshintergrund als Aladdin etc.
Prinzipiell störte mich glaube ich auch rückblickend betrachtet der Begriff „Hakenhand“. Klar, Kinder können das alles weder kognitiv erfassen noch sich emphatisch ausdrücken, aber ich für mich muss eben noch besser überlegen, wie ich mit solchen Situationen und Kommentaren umgehe. Weil mein Kind eben nicht der böse Captain Hook ist, nur weil ihm die rechte Hand fehlt.
So quälte ich mir am Ende nur ein: „Wenn du meinst“ heraus und ging mit meinem Kind meiner Wege. Samu schaute mich am Auto nur ganz verständnislos an und fragte mit seinen gerade mal zwei Jahren: „Mama, was war das?“. Für mehr als: „Keine Ahnung, mein Schatz. Nichts weiter!“, reichte mir in diesem Moment nicht die Energie, aber ich war zumindest sehr stolz auf mich, dass ich beim Vergleich meines Kindes mit einem schrecklichen Piraten nicht direkt wieder losgeplärrt habe. Ich denke, ich bin auf einem guten Weg und bis Samu kognitiv alles erfassen kann, ist Mama Sue gewappnet!!! Und dann geht Samu als Pirat und alle können sich warm anziehen ;-).