Selbstreflexion rund um Oberflächlichkeiten

Am selben Abend ergab es sich zufällig, dass ich eine Freundin besuchte. Ich hatte den Vorfall am frühen Nachmittag ehrlich gesagt ganz gut verdrängt und freute mich, auch am Abend mehr Zeit für mich zu haben. Mein Mann und ich hatten nämlich wenige Tage vorher beschlossen, dass es unglaublich sinnvoll wäre, wenn nur eine Person die Kids ins Bett bringt, dafür fertig macht, die Geschichte liest und den Einschlafprozess begleitet. Ein Vorgang, der uns beide immer 2-2,5 Stunden täglich beschäftigt.

Es lief die erste Woche erstaunlich gut und deshalb wagte ich es nun auch eine größere Runde mit dem Hund zu laufen, um zwischendrin spontan bei meiner Freundin einzukehren.

Obwohl ihre Kinder noch nicht schliefen, konnten wir uns fröhlich über alles Mögliche austauschen. So ging es anfangs um die Kinder, dann um die Hundeerziehung, um schließlich bei unserem Lieblingsthema „Männer“ anzugelangen.

Mittlerweile war natürlich auch die Flasche Wein geöffnet, die ich eigentlich nicht mittrinken wollte („Ich komm nur ganz kurz rein…“) und die Schwiegermutter meiner Freundin, die aufgrund der Abwesenheit des Papas unterstützte, brachte die Kinder ins Bett. Ein grandioser Luxus übrigens (aber ganz ohne Neid)!

Wir kamen bei unseren Gesprächen also mal wieder vom Hundertsten ins Tausendste und tauschten uns über unsere früheren Beuteschemen aus. Ich stellte dabei schnell fest, dass mich die Größe eines Mannes nicht unbedingt beeindruckte, Anja hingegen schon.

Obwohl mir über das Aussehen hinaus schon viele weitere Komponenten wichtig waren (Charme, Humor, Intellekt), merkte ich schnell, dass auch ich oft meine Auswahl aufgrund optischer Kriterien getroffen hatte. Selbstverständlich hätten wir heute ganz andere Ansprüche, was einen neuen Partner anbelangen würde (Konjunktiv ist wichtig! 😉 ), aber wir sind mittlerweile auch ein zwei Jährchen älter als 25.

Mich stimmten unsere Gespräche im Hinblick auf die jugendliche Interaktion zwischen Männern und Frauen auf dem Nachhauseweg ziemlich traurig und nun kam mir auch der Vormittag wieder in den Sinn…

Es schossen mir plötzlich unglaublich viele Fragen durch den Kopf, denn wenn die Größe eines Mannes schon eine Rolle spielt, ob ich ihn überhaupt date, wie ist es dann mit einem jungen Mann ohne Hand? Werden die Erfahrungen von Samu was Mädchen anbelangt also die Gleichen sein können, wie die seines Bruders? Sind alle Damen da draußen so oberflächliche Bitches, wie wir es waren? Wird es vielleicht aufgrund dessen Identitätskrisen geben oder seine Seele schwer belastet werden?

Natürlich bin ich mir darüber bewusst, dass das Aussehen allein mit zunehmenden Alter nicht mehr ausschließlich entscheidend ist , aber die Pubertät und die ersten sexuellen Erfahrungen finden nun einmal nicht mit 35 Jahren statt.

Ich hoffe sehr, dass ich meine Kinder so selbstbewusst erziehen kann, dass sie gewisse negative Erfahrungen mit dem anderen Geschlecht (oder auch mit dem gleichen, wer weiß das schon) nie bis ins Mark erschüttern werden und sie immer ihre Selbstliebe und Achtung erhalten können.

Zu guter Letzt führe ich mir an solchen Tagen immer wieder gewisse Dinge vor Augen, die zwar total banal klingen, aber deswegen ja nicht weniger wahr sind. Einer meiner erlernten Leitsätze lautet: „Mache dir erst ein Problem, wenn es tatsächlich da ist“. Und in der Tat gab es so unfassbar wenige negative Erfahrungen rund um Samu, dass ich diese an einer Hand abzählen kann. Auch waren die Ereignisse rückblickend betrachtet eher harmlos.

Ich glaube jede Mutter kann es nachempfinden, wenn ich sage, dass ich mir einfach wünsche, dass mein Kind glücklich ist. Natürlich soll es Erfahrungen sammeln und schwierige Situationen erleben, um daraus lernen zu können. Ich bin dennoch sehr froh, wenn diese nicht nur rein oberflächlich sind und sich ausschließlich um seine Hand drehen.

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