Märchen Siebenfing

,Vielleicht wissen es einige von euch aufgrund vorangegangener Beiträge (vielleicht auch nicht), aber ich gehöre ja zur Kategorie „Korrekturensohn“ – sprich: Ich bin ein Kinderschreck, kurz Lehrerin. Da es in diesem Jahr mit unseren Heranwachsenden nicht so ganz einfach ist und auch die Grundschulen bereits ihren Spaß mit diesem Jahrgang (und den folgenden) kundgetan haben, erschien es mir umso wichtiger, mich eng mit den Kollegen in meiner Schule abzustimmen. Auch bei unserer dritten Arbeit in der Jahrgangstufe 5 zum Thema Märchen gelang uns das fast vollständig. Dass dies nicht 100%ig möglich war, lag an einem ausgesuchten Text, mit dem ich mich nicht anfreunden konnte. Oder anders ausgedrückt, ich hatte Angst! Angst, wie die Fortsetzung eines Märchens seitens der Schüler:innen aussehen könnte, das denn den Titel „Siebenfing“ trägt. Den Inhalt möchte ich euch an dieser Stelle nicht vorenthalten:

„Es war einmal ein König, der hatte drei Töchter, von denen die ältesten Beiden sehr stolz, schön und klug waren. Die Jüngste aber wollte nicht recht zu ihnen passen, denn sie hatte sieben Finger an jeder Hand. Sie nannten sie deshalb Siebenfing. Niemand sollte sie zu Gesicht bekommen und so versteckte die Königsfamilie sie im Schloss. Eines Tages drang ein seltsames Tier in den Schlossgarten ein, das ganz aus grauem Fell war und sieben funkelnde Augen hatte. Alle anderen Tiere verschreckte es so, dass sie nimmermehr gesehen wurden. Kein Vogel sang mehr im Park und die Blumen verloren ihren Glanz, wenn das Tier an ihnen vorbeistrich. Bald war die ganze Pracht, war der ganze Glanz des Gartens dahin. Es wurde still und duster. So geriet der König in Not, denn niemand wollte mehr im Schloss arbeiten und für die beiden ältesten Schwestern fand sich kein Bräutigam. Jeder mied die Nähe des Schlosses. Da wurde dem eine der Königstöchter versprochen, dem es gelingen würde, das Tier zu vertreiben. Das hörte ein junger Bauernsohn. Dieser hatte das Tier noch nie zuvor gesehen und hatte sich immer nur ein Bild aus den Erzählungen gemacht. Als er das Tier sah erschrak er. Doch dann fand er es seltsamerweise spannend, wie es so umher lief. Nach einiger Zeit fiel ihm auf, dass sich das Tier fast immer an ein und derselben Stelle aufhielt. So ging er ins Schloss und fragte, was es mit dieser Stelle auf sich habe. Erst zögerte der König, doch dann sagte er: “Dort wohnt Siebenfing.” “Wer ist das?” fragte der Bauernjunge. “Das ist meine dritte Tochter. Sie wohnt dort unten in einem Keller, damit sie niemand zu Gesicht bekommt. Aber wenn das Tier sie so sehr mag, dann soll sie heraus kommen.” Siebenfing kam aus ihrem Verlies und spürte, dass sie das Tier berühren musste. Kaum hatte sie das Tier angefasst, da bildete sich ein hell leuchtender Ball um die Prinzessin und das Tier. Als sich dieser wieder öffnete, war das Tier verschwunden und es standen sieben Rehe neben der Prinzessin. Und jeder der eines dieser Rehe berührte, wurde ein glücklicher Mensch. Siebenfing aber wurde wunderschön und hatte von nun an fünf Finger an jeder Hand. Da sagte der König zum Bauernjungen: “Du hast das Tier vertrieben, dafür sollst du eine meiner Töchter zur Frau haben.” Der Bauernjunge entschied sich für Prinzessin Siebenfing und schon bald wurde die Hochzeit gefeiert. Und wenn sie nicht gestorben sind, dann leben sie noch heute – im glücklichsten Königsreich der Welt.“

Quelle: https://www.gutefrage.net/frage/wer-kennt-das-maerchen-siebenfing

In der Arbeit der Kollegin endete das Märchen an der Stelle, als der Königssohn von dem Tier im Schloss erfuhr und dem Versprechen des Königs, seine Tochter zu erhalten, wenn das Tier vertrieben werden kann.

Was soll ich sagen… Ich hörte die Fortsetzungen der zukünftigen Dichter und Denker, die eine Woche früher ihre Arbeit geschrieben hatten und entschied aber unverzüglich, mir diese gequirlten, geistigen Ergüsse nicht anzutun. Denn von Diversität und Akzeptanz waren wir da noch ganz weit entfernt.

By the way ich hätte es toll gefunden, wenn Siebenfing ihre Einzigartigkeit beibehalten hätte, aber was wollen wir erwarten von Märchen, die größtenteils im 16.Jahrhundert entstanden. Da ist dieses hier ja bereits als fortschrittlich zu bezeichnen. Denn zumindest gibt es für das Mädchen ein Happy End und sie wird nicht mit dem wilden Tier irgendwo im Nirvana von irgendeiner anderen Märchenfigur abgeschlachtet. Vielleicht half ja die Besprechung des Märchenendes einigen Intelligenzbolzen über ihre Weltansicht nachzudenken, auch wenn das sicherlich nur eine kleine Hoffnung meinerseits darstellt. Ach nee, ich muss ja positiv denken hihi 😊…

Bildquelle: https://www.schreiben.net/artikel/maerchen-erzaehlen-2498/

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