Abonniere meinen Blog

Heute möchte ich mich ganz kurz an alle da draußen wenden, die meinen Blog kennen, offiziell lieben und wertschätzen (und auch an die, die heimlich mitlesen…), ihn jedoch nicht abonniert haben, weil sie nicht wussten, dass dies geht und wie das geht.

Ihr müsst eigentlich nur auf meine Internetseite gehen: www.andersseineinevariantevonrichtig.com

Dann scrollt ihr dort nach unten und findet die Überschrift „Neue Beiträge in deinem Postfach“. Darunter gibt es ein Feld, in das man seine E-Mailadresse eintragen kann. Dies einfach tun, auf registrieren klicken und fertig.

Keine Angst, ihr gewinnt keine Waschmaschine und ich behellige auch niemanden mit schillernden Werbebeiträgen. Ihr bekommt lediglich die Info per E-Mail, wenn ich neue Beiträge poste und könnt diese dann auch gleich lesen.

Ich freue mich auf ganz viele neue Abonnenten und Menschenkinder, denen ich jetzt damit weiterhelfen konnte. Weiterhin freue ich mich selbstverständlich auch über das ein oder andere Besüchle auf meiner Seite und die vielen stillen Leser – drück euch alle ganz fest!

Meine Hebamme meldet sich

Eines Tages in unserem Italienurlaub, wir wollten gerade unseren versprochenen Bootsausflug starten, bekam ich eine WhatsApp-Sprachnachricht meiner Hebamme:

„Hallo meine Liebe, ich hoffe es geht euch gut, vielleicht seid ihr auch gerade im Urlaub, ich weiß es nicht. Ich hätte eine Frage an dich. Und zwar hat mich heute eine ganz junge und verzweifelte Mami angerufen, die haben gestern die Diagnose bekommen, dass das Kind eine Handfehlbildung hat und sie ist natürlich völlig aufgelöst. Ich habe dann von euch berichtet und auch gleich deinen Blog weitergeleitet. … Sie bräuchte jemanden, mit dem sie sich austauschen kann. Wäre es okay, wenn ich deine Nummer weiterleite?“

Selbstverständlich ist das immer völlig okay, teilte ich ihr mit. Dafür gibt es ja den Blog hier und ich weiß, was werdende Eltern durchmachen, wenn man so eine Diagnose erhält. Es darf sich also jeder gern melden und mich ganz unkompliziert per Instagram, Facebook oder E-Mail anschreiben. Ich antworte sehr gern und versuche zu helfen, Fragen zu beantworten oder einfach Mut zu machen.

Wenn ich mit der Anfangszeit konfrontiert werde, kann ich tatsächlich den unfassbaren Schmerz immer noch spüren, der mich damals ereilt hat, aber mittlerweile kann ich sehr gut damit umgehen und denke, dass ich die Wunden geheilt habe. Es war auch unfassbar wichtig, diese Gefühle dasein zu lassen und sie nicht zu verurteilen, denn sie sind wichtig, um alles verarbeiten zu können.

Es ist mein tiefstes Bedürfnis, anderen Betroffenen beizustehen und in den Austausch zu gehen – also immer her mit deiner Wut, deiner Trauer, deinen Ängsten oder Unsicherheiten!

Samu lernt Laufrad fahren

Ein weiterer wichtiger Baustein in Samus Entwicklung war für mich tatsächlich das Laufrad fahren. Ich hatte mir im Vorfeld mal wieder tausend Sachen überlegt…

Ist eine Prothese sinnvoll, damit er sich gut abstützen kann und keine Haltungsschwächen entstehen? Allerdings hatte ich ja mit einem Orthopädie-Zentrum telefoniert und die wiederrum baten mich darum, erst mit Hilfsmitteln zu beginnen, wenn das Kind selbstständig den Wunsch danach äußert oder zumindest kognitiv soweit ist, dass eine Kooperation möglich und sinnvoll erscheint.

Nun hatte aber Samu noch nie etwas in diese Richtung geäußert, obwohl er nun bereits oft mit irgendwelchen Roboterhänden seitens seines Bruders konfrontiert wurde.

Eine weitere Überlegung war, eine improvisierte Vorrichtung zu bauen, so eine Art Behältnis zu installieren, in das er seinen Stumpf abstützen kann und nicht ständig wegrutscht. Diesbezüglich hatte ich einmal etwas im Internet gesehen. Ein Vater löste das Problem meines Erachtens nach sehr geschickt, indem er einen kleinen Blumenuntertopf am Laufrad montierte. Das erschien mir logisch, schnell umsetzbar und praktikabel.

Wie es jedoch immer so ist mit meinen tollen Ideen und Samu… mein Kind ist schneller. Da sein Bruder seit geraumer Zeit auf der Spielstraße vor unserem Haus auf und ab fuhr, musste natürlich SOFORT auch ein Gefährt für den Kleinen gefunden werden.

Wir boten ihm zunächst immer wieder sein Puki an, mit dem er schon wunderbar durch die Gegend sauste. Stand aber leider nicht mehr an. Er probierte es zunächst mit den Rollern, die wir noch von unserem Großen herumstehen hatten, aber damit kam Samu nicht so schnell voran, wie er es sich vorstellte.

Als er das Laufrad in der Garage fand, war er in love. Zack, geschnappt und keiner durfte sich nähern, denn das Lieblingswort lautet in letzter Zeit schließlich: „ALLEINE!!!“. „Wird eh nicht gleich klappen“, dachte ich mir gemeinerweise nur so und ließ ihn machen. Ja, von wegen… Samu setzte sich drauf und fuhr los, als hätte er nie etwas anderes gemacht, wie selbstverständlich mit einer Hand, obwohl er es vorher nie geübt hatte.

Das ist mein Samu!!! Und wieder einmal bewies er mir, dass Sorgen machen, völlig unnötig ist und er die Herausforderungen im Leben im wahrsten Sinne mit links meistern wird.

Ausfahrt: “Ist mir egal!”

Als ich damals die Rusu22 bei Laura Malina Seiler absolvierte, war mein größter Wunsch in die Akzeptanz mit meinem Kind zu kommen. Ich denke wirklich, dass mir das mittlerweile gut gelungen ist. Ich habe mich damit angefreundet, dass Samu eine Hand fehlt. Er hat mir in zweieinhalb Jahren immer wieder bewiesen, dass dies kein Hindernis für ihn ist. Aber auch ich bin von dem Gedanken gelöst, dass wir nur eine tolle Familie sind, wenn alle 100%ig perfekt sind.

Denn was heißt denn eigentlich „perfekt“? Ist das nicht absolute Definitionssache? Haben nicht viele Menschen große Defizite, obwohl sie scheinbar körperlich unversehrt sind? Wir jedenfalls sind für uns wunderbar, wie wir sind! Auch mit einem Kind, das auf den ersten Blick ein wenig anders zu sein scheint.

Ich habe also das Thema „Akzeptanz mit der Einschränkung“ gelöst. Es ist mir mittlerweile echt wumpe, wer jetzt welche „Schuld“ trägt: die Umwelt, die Laune der Natur, mein Mann oder doch ich? Ich stelle mir diese Fragen im Jahr 2023 nicht mehr, da es keinen Unterschied macht, denn es ist, wie es ist und kann nicht mehr geändert werden. Also was soll das sinnlose darüber Nachdenken? Es setzt für mich nur negative Energien frei, die nicht hilfreich sind, also lasse ich es.

Womit ich allerdings auch lange nicht klar kam, und vieles davon waren auch wieder nur Einbildungen in meinem Kopf, waren die möglichen Reaktionen im Außen. Hat der oder die Samu gerade schräg angeschaut? Hat jemand jetzt mein Kind abschätzig gemustert? Wird Samu eventuell ausgegrenzt von Kindern auf dem Spielplatz? Waren das mitleidige Blicke oder abwertende? Et cetera et cetera…

Ob man es mir glaubt oder nicht… Es ist mir inzwischen wirklich völlig Wurscht, was andere Leute von mir denken. Ich habe mich in meinem Persönlichkeitscoaching lange mit der Frage beschäftigt, warum die Außenwirkung eine so enorme Rolle für mich spielte. Nachdem ich einige Antworten für mich gefunden hatte und an meinen Themen arbeitete, lösten sich viele Sachen rund um die Blicke, die es wirklich sehr sehr selten hin und wieder gibt (sicher oft auch mit keiner bösen Absicht, sondern eher aus Neugier) in Luft auf. Ich habe die Ausfahrt: „Ist mir von ganzem Herzen völlig egal, was ihr über Samu/meine Familie oder mich denkt“ genommen und es ist unfassbar befreiend.

Überheblichkeit der Perfektion

Immer wieder einmal führe ich Gespräche mit Menschen, die sich anmaßen zu behaupten, dass es Samu in seinem Leben mit allem schwer haben wird. Und ihr glaubt gar nicht, wie unglaublich aggressiv mich das macht.

Ja, das zum Beispiel ist ein absoluter Triggerpunkt von mir. Woher bitte besitzen denn Menschen die Überheblichkeit das einschätzen zu wollen? Leben sie selbst mit einer Einschränkung? Haben sie Personen in ihrem näheren Umfeld, die sie tagtäglich beobachten können? Oder wie zur Hölle kann man einfach so eine wahnsinnige Arroganz besitzen, zu behaupten, dass nur mit zwei Händen alles im Leben gelingt?

Natürlich hatte ich zu Beginn auch Zweifel, ob dieses oder jenes gelingen kann. Aber ja, das tut es. Samu isst allein, Samu zieht sich allein an, Samu klettert am Klettergerüst hoch und fährt sogar allein Laufrad.

Auch viele Betroffene, die man auf Instagram und Co. findet, bestätigen, dass alles möglich ist. Klar, vielleicht bedarf es auch eines speziellen Hilfsmittels wie einer Prothese, aber es ist kein Problem Sport zu machen, allein im Alltag klarzukommen oder Freundschaften einzugehen. Auch eine berufliche Ausbildung/Studium in fast allen Bereichen ist möglich. Ok, vielleicht wird Samu kein Kampfflugjetpilot, aber welche Mutter will das schon?

Ich denke, dass ihm heutzutage die meisten Wege offen stehen und er kaum Einschränkungen in seinem Leben akzeptieren wird, dafür ist er ein zu starker Kämpfer. Ich möchte heute mit einem kleinen Gedicht enden und bitte alle achso „perfekten“ Menschen da draußen kurz inne zu halten, über das Geschriebene nachzudenken, sich zu reflektieren und sich bestenfalls dann mit gewissen Kommentaren zurückzuhalten. Im Voraus dafür schon einmal vielen Dank!

„Bevor du über mich oder mein Leben urteilen willst,
zieh meine Schuhe an und laufe meinen Weg.
Fühle die Trauer, erlebe den Schmerz
und spüre die Freude, die ich erlebt habe.
Stolpere über jeden Stein,
über den ich gestolpert bin.
Stehe immer wieder auf
und gehe genau dieselbe Strecke weiter,
genau wie ich es tat.
Durchlebe all die Jahre
auf dieselbe Weise, wie ich es getan habe
und erst dann kannst du urteilen.”“

Eigenes Bewusstsein

Samu ist nunmehr 2,5 Jahre alt und er wird von Tag zu Tag witziger. Ich muss schon auch zugeben, dass es nicht immer ganz einfach mit ihm ist. Er hat schon einen ausgeprägten starken Charakter. So rastet er hin und wieder wegen Kleinigkeiten völlig aus und macht dem ehemaligen Blogeintrag „Aus Samu Rai wird Samu Schrei“ alle Ehre. Dennoch bin ich froh, dass er kein zurückhaltendes, verschüchtertes Kind ist und er weiß, wie man sich wehrt, wenn man angegrabbelt oder geschubst wird.

Im Kindergarten zeigt er seine Wuteskapaden allerdings eher selten, ebenso wenig wie bei seinen Superstargroßeltern. Kaum biegt seine Erzieherin oder sein heißgeliebter Opa um die Ecke, wird das Pokerface aufgesetzt und mein Kind strahlt übers ganze Gesicht. Ich bin dann eben die „gemeine“ oder „blöde Mama“ und werde verprügelt, aber wir Eltern lernen ja einiges zu händeln und es nicht allzu persönlich zu nehmen.

Zudem gibt es ja auch total niedliche Dinge, die wir mit unseren kleinen Mäusen erleben. Samu spielt inzwischen gern irgendwelche Instrumente und singt dazu. Weiteres Lieblingsspielzeug ist unsere Alexa, die immer wieder „Hubschraubereinsatz“ trällert, während sich unser Tanzbär wild im Kreis dreht. Auch die Kuschelphasen, die er doch oft hat, genieße ich sehr.

Jetzt habe ich euch ein wenig mit in unseren Alltag genommen und bin ein wenig vom Thema abgeschweift. Aber nur ein klein bisschen, denn als Lehrerin bekommt man immer wieder den Bogen gespannt, lach.

Also… Die Sprachentwicklung und seine Motorik gedeihen ganz hervorragend und damit natürlich auch sein kognitives Verständnis für die Dinge. So fragt er nun schon hin und wieder: „Mama, ich habe eine kleine und eine große Hand und ihr habt zwei große Hände. Warum?“ Wir versuchen ihm Hierbei keine negativen oder auch beschönigenden Dinge mit auf den Weg zu geben. Wir erklären ihm einfach, dass er so geboren wurde und fertig. Auch Kommentare wie: „Ist aber nicht schlimm“ unterlassen wir sträflichst, denn irgendwie schwingt für mich da wieder mit, dass er so wie er ist, nicht normal sei.

Samu akzeptiert die Dinge wie sie sind für sich selbst ganz wunderbar. So wird seine „kleine Hand“ ganz selbstverständlich im Alltag eingesetzt. Er sagt dann auch Dinge wie: „Das nehme ich jetzt in die kleine Hand“ und zack ist er meist mit tausend Spielsachen verschwunden.

Ich habe es ja schon ein paar Mal erwähnt, aber ich merke oft wirklich nicht mehr, dass mein Kind mit rechts eigentlich nicht greifen kann, denn er kompensiert es irgendwie, halt auf Samu-Art. So werden auch Dosen ganz selbstverständlich aufgeschraubt oder Klamotten angezogen. Im Übrigen ist das etwas, was mein Vierjähriger bis heute nicht vollständig kann oder können will… Samu hat da viel mehr Ehrgeiz. Ich denke, die Natur gleicht hier viel aus. Man muss nur eben immer im Vertrauen bleiben.

Zufall???

Dieses Jahr beschlossen wir einmal nicht in den Sommerferien in den Urlaub zu fahren, wie wir es die Jahre zuvor getan hatten, sondern zu Pfingsten. Dabei waren zunächst die intensiven Preissteigerungen schuld. Wir nagen zwar absolut nicht am Hungertuch, aber mittlerweile finde ich so manches Angebot in der schulfreien Zone mehr als frech. Kroatien auf dem Campingplatz schlägt im Jahr 2023 schon mit nicht mehr 1600 Euro zu Buche, sondern mit 3800 Euro, für die gleichen Leitungen. Auch von Mallorca Urlaubern hörten wir, dass sie für zwei Wochen mit einem Kind in der Neuzeit bereits 7500 Euro berappen mussten – also alles, was recht ist und Moneymindset hin oder her, aber irgendwie finde ich das gesponnen…

Es ging also für uns in diesem Jahr an die Ligurische Küste. Sandstrand, Meer, Sonne und einfach abschalten vom Alltag war die Divise. Gesagt getan.

Die Hinfahrt gestaltete sich zwar etwas schwierig, weil der duppelige Tunnel in der Schweiz für zwei Wochen im Jahr von 22 Uhr- 05:00 Uhr schließt und wir selbstverständlich diesen erst nach Mitternacht erreichten, was eine abenteuerliche Passfahrt zur Folge hatte, aber danach konnten wir uns doch mit den Kindern ganz gut in unserem angemieteten Ferienhaus OHNE WLAN (etwas unfreiwillig lol) erholen.

Wie es mit Kleinkindern so ist, stand auch nicht viel auf dem Programm. Wir unternahmen kleinere Ausflüge in die nähere Umgebung und waren ansonsten an unserem hervorragend sauberen und fernab von jeglichen Touristen „angemieteten“, fast schon privaten, Hundestrand. Nach ein paar Stunden gaben wir den Kindern und dem Felligen immer wieder die Möglichkeit, sich im Urlaubszuhause zu erholen.

Als Samu schlief und mein Großer mit mir in einem Zelt im Garten lag, fragte er mich plötzlich, ob Samus Hand auch als Erwachsener so klein sein würde oder ob sich da noch etwas verändere. Als ich ihm mitteilte, dass die Hand seines Bruders immer auch seine kleine Hand bleiben würde und er nun einmal so geboren sei, überlegte er eine Weile und ich sah genau, dass es in seinem kleinen Köpfchen ratterte. „Aber Mama, gibt es denn noch andere Menschen und auch Erwachsene mit kleinen Händen? Ich habe nämlich noch nie jemanden anders gesehen.“ „Ja, mein Schatz. Es gibt noch einige andere Leute, die keine Hände haben“, entgegnete ich meinem Vierjährigen und zückte mein Handy.

Ich zeigte ihm Instagram Profile von @natalie_nussbaum, die unter anderem an der Wahl der Miss Germany teilgenommen hatte und dort auch ziemlich erfolgreich abschnitt. Auch mit @tilly.lockey, einem wunderbaren jungem Model aus GB machte ich ihm deutlich, dass es noch ganz andere wunderbare Menschen da draußen gab, die Samus Schicksal teilten. Zudem schaute er sich noch Bilder von Kindern an, die ich nun bereits kannte.

Meine kleine, neugierige Kinderseele gab sich damit zufrieden und fragte lediglich, ob Samu auch so eine „coole Roboterhand“ bekommen würde. Als ich den Begriff „coole Roboterhand“ hörte, stellten sich zwar wieder kurz alle Nackenhaare bei mir auf, aber ich antwortete ihm einfach mit: „Vielleicht. Wenn Samu das möchte.“ Damit war das Thema eigentlich vom Tisch und wir fuhren etwas später, als auch unser kleiner Rowdy wieder am Tagesgeschehen teilnahm, los, um unseren Mäusen mal wieder das versprochene weltbeste italienische Eis aus unserem Ort zu besorgen. Dabei nahmen wir Samus Windeln mit, damit die nach „Veilchen duftenden“ Bomben im örtlichen Container entsorgt werden konnten.

Dort angekommen, sahen wir einen jungen Mann, der gerade in sein Auto einstieg. Was war das Besondere daran? Ihm fehlte eine Hand. Ich war so im Glück über diesen Moment, dass ich mich fast schon euphorisch zu meinem Großen umdrehte und sagte: „Da ist übrigens ein Erwachsener mit einer kleinen Hand!“. Dabei versuchte ich meine positiven Gefühle in meiner Stimme zu unterdrücken, denn es sollte so normal wie möglich für meine Kids klingen. Ich freute mich dennoch wie ein Schneekönig (richtig gegendert natürlich: eine Schneekönigin 😉) über dieses Ereignis.

War es nun ein Zufall, dass genau an diesem Tag uns dieser junge Mann begegnete? Nicht an den Tagen zuvor… und auch nie wieder danach… Ich glaube nicht. Danke, liebes Universum für diese wunderbare Fügung!!!

Familienfest

Einmal im Jahr kommt die Familie meines Mannes in der Nähe einer tollen Universitätsstadt zusammen, um ein gemeinsames Mittagessen mit allen zu veranstalten, die man eben viel zu wenig sieht.

Zu diesem Familienfest erscheinen, so schätze ich, immer um die 30-40 Menschenkinder, die ich stellenweise gar nicht kenne oder eben sehr selten zu Gesicht bekomme.

Aufgrund von Corona war diese Veranstaltung in den letzten Jahren ausgefallen, sodass Samu noch nie dabei gewesen ist und mein Großer das letzte Mal teilnahm, als er gerade etwas älter als ein Jahr war. Inwiefern nun Tanten, Onkels, Cousinen und Cousins sowie weiter entfernte Verwandte von Samus Einschränkung wussten, weiß ich nicht.

Dank meines Coachings war es mir mittlerweile immer weniger wichtig, was andere Menschen von uns denken. Außerdem bin ich nach nunmehr zwei Jahren soweit in der Akzeptanz mit mir und meinem Kind, dass ich neue, unbekannte Situationen aushalte und auch flüchtige Blicke wahrnehme, aber ignoriere.

Interessanterweise soll es aber in diesem Beitrag weniger um Samu gehen, denn der sorgte für seine positive Art bei allen wieder für gute Laune. Ich möchte euch heute eher davon berichten, wie ich die Position auf der anderen Seite einnehmen durfte…

Als die ersten Gäste eingetrudelt waren, kam irgendwann eine Familie hinzu, deren Tochter eine Einschränkung im geistigen Sinne hatte, die man auch deutlich sehen konnte. Die junge Frau erinnerte mich mit ihrer Krankheit an das Downsyndrom, aber diese Erkrankung sei es wohl nicht, wie mir meine Schwiegermutter mitteilte. Ich begrüßte die Familie freundlich und auch mein vierjähriger Sohn tat dies höflich, wie er es schon bei den anderen Gästen getan hatte. Dabei merkte ich aber, dass er Franzi (Name geändert) interessiert musterte. Ich bereitete mich schon darauf vor, dass Kindermund gleich Wahrheit kundtun wird und ich war leider völlig verängstigt vor dem, was da vielleicht gleich aus meinem Kind herausplatzt.

Vielleicht spürte mein Großer die Verunsicherung und sagte erst einmal nichts. Ich war ehrlich gesagt etwas erleichtert, denn ich war absolut überfordert mit der Situation. Wie erklärt man denn einem Vierjährigen, was bei einem Menschen mit geistiger Einschränkung anders ist? Warum dieser Mensch vielleicht auch anders aussieht, als man das gewohnt ist? Zum ersten Mal fühlte ich, wie es anderen Leuten geht, die uns begegnen, schauen, noch einmal schauen, aber die sich nicht trauen, etwas zu fragen. Obwohl sie dies vielleicht gern tun würden.

Ich wünsche mir einen völlig offenen Umgang mit meiner Situation, aber wünschen sich das andere Familien ebenso? Oder ist es besser, nicht nachzufragen, sich so normal wie möglich zu verhalten und die Situation einfach zu ignorieren?

Mein Sohn fragte natürlich trotzdem irgendwann das, was ihn die ganze Zeit schon zu beschäftigen schien. „Mama, warum hat Franzi denn so kleine Augen?“. Ehrlich gesagt hatte ich damit am wenigsten gerechnet. Ich versuchte ihm das Anderssein genauso zu beantworten, wie ich es immer tue, wenn mich Kinder (Erwachsene ja so gut wie nie) rund um Samus Hand befragen. „Schatz, schau mal, wir sind alle nicht gleich auf die Welt gekommen. Und Franzi wurde eben so geboren.“ Damit war das Thema tatsächlich auch vom Tisch.

Dennoch beschäftigt mich meine Erklärung im Nachhinein. Hätte ich es meinem Kind noch anders erklären sollen? Inwiefern kann er die Erkrankung denn überhaupt schon fassen? Ist es gut, große Reden zu schwingen oder ist es bei Diversität nicht am besten, alles so normal wie möglich hinzunehmen? Ich weiß es ehrlich gesagt nicht, aber es hat sich in diesem Moment richtig für das Alter meines Kindes angefühlt.

Ich bin auf jeden Fall sehr dankbar für diese Erfahrung. Denn es hat mir einen Perspektivwechsel ermöglicht. Manchmal werden sich Menschen vielleicht uns gegenüber komisch verhalten, weil sie mit der Situation und dem Umgang mit Menschen, die von Einschränkungen betroffen sind, überfordert sind. Doch wir alle begegnen Kindern oder Erwachsenen mit Handicap in unserer Gesellschaft und sei es auch bei einer Familienfeier. Irgendwie fühle ich mich dann auch immer gleich mit den betroffenen Familien auf irgendeine Art und Weise verbunden. Wenn ich sehe, wie andere ihr Schicksal meistern und sie dabei von einer unfassbaren Liebe umgeben zu sein scheinen, gibt mir das viel Kraft für meinen kleinen Fratz. Es schenkt mir einfach die innere Ruhe, wenn ich mir hin und wieder grundlos Sorgen mache…

Pflegeberatung Teil II

Ein weiteres Wort im Behördendschungel Deutschlands – “Pflegeberatung”…

Ja, damit wir den PG II (Pflegegrad II) auch brav weiter aufrechterhalten und somit Gelder beziehen, ist es von Nöten, halbjährlich (ist aber abhängig vom Pflegegrad) eine Pflegeberatung durchzuführen. Nun wird diese nicht von einer freien Person getätigt, sondern muss selbstverständlich durch einen Pflegedienst erfolgen und unterscheidet sich somit natürlich von Pflegeberatern, die ich bereits ansprach.

Okay, ich gebe zu, es gibt auch genügend Personen, die mit derartigen Geldern Schindluder betreiben. Die Oma, für die Pflegegeld kassiert wird, wird ab und an auch schon ‘mal halb verwesend im letzten Kellerloch geparkt (leider kein Witz, wurde mir von einer Pflegekraft genauso geschildert). Ich hoffe dennoch, dass dies die Ausnahme darstellt und es bei Kindern noch viel seltener vorkommt. Ich habe deshalb, als alter Kontrollfreak, vollstes Verständnis und lasse dann eben einen weiteren Termin über mich ergehen.

Glücklicherweise haben wir unweit von uns eine Nachbarin, die beim Kinderpflegedienst arbeitet und die ich deshalb ansprach, ob sie die Beratung durchführen könne. Nach Absprache mit ihrer Chefin war es möglich, die Terminierung dann auf dem kurzen Dienstweg abzuwiegeln. So trafen wir uns an einem Nachmittag, um die ganzen Formulare auszufüllen, Samu zu begutachten und ggf. Fragen stellen zu können, falls wir mit irgendetwas Hilfe bräuchten.

Das Formular, das wir letztendlich ausfüllten, nennt sich „Nachweis über einen Beratungsbesuch nach §37 Abs. 3 SGB XI“ – falls das jemand googlen möchte. Darin werden die Angaben zur pflegebedürftigen Person festgehalten. Des Weiteren darf man selbst Angaben zur Pflege- und Betreuungssituation machen. Danach wird seitens der beratenden Person festgestellt, ob alles tutti ist. Am Ende wird noch angekreuzt, ob es Maßnahmen zur Verbesserung der Situation gibt, z.B. technische Hilfsmittel, Wohnraumanpassungen, Angebote zur Unterstützung im Haushalt etc.

Letztendlich muss man noch unter alles brav seinen Otto setzen und die Unterlagen werden von der beauftragten Person mitgenommen. Wie immer überrascht einen dann noch einer gewissen Zeit ein Papierchen im Briefkasten mit der Bitte Zahlemann und Söhne zu leisten. Wahrscheinlich wird es bei Kassenpatienten aber direkt an die Kassen weitergeleitet, da bin ich mir nicht sicher. Ich musste es auf jeden Fall noch an sämtliche Stellen versenden – ätzend, aber nützt ja nichts. Insgesamt hätte ich mir den ganzen Act aufwendiger vorgestellt. Dieser Termin war wirklich angenehm und ging schnell vorüber.

Danke an dieser Stelle auch an meine liebe Frau Nachbarin!

Märchen Siebenfing

,Vielleicht wissen es einige von euch aufgrund vorangegangener Beiträge (vielleicht auch nicht), aber ich gehöre ja zur Kategorie „Korrekturensohn“ – sprich: Ich bin ein Kinderschreck, kurz Lehrerin. Da es in diesem Jahr mit unseren Heranwachsenden nicht so ganz einfach ist und auch die Grundschulen bereits ihren Spaß mit diesem Jahrgang (und den folgenden) kundgetan haben, erschien es mir umso wichtiger, mich eng mit den Kollegen in meiner Schule abzustimmen. Auch bei unserer dritten Arbeit in der Jahrgangstufe 5 zum Thema Märchen gelang uns das fast vollständig. Dass dies nicht 100%ig möglich war, lag an einem ausgesuchten Text, mit dem ich mich nicht anfreunden konnte. Oder anders ausgedrückt, ich hatte Angst! Angst, wie die Fortsetzung eines Märchens seitens der Schüler:innen aussehen könnte, das denn den Titel „Siebenfing“ trägt. Den Inhalt möchte ich euch an dieser Stelle nicht vorenthalten:

„Es war einmal ein König, der hatte drei Töchter, von denen die ältesten Beiden sehr stolz, schön und klug waren. Die Jüngste aber wollte nicht recht zu ihnen passen, denn sie hatte sieben Finger an jeder Hand. Sie nannten sie deshalb Siebenfing. Niemand sollte sie zu Gesicht bekommen und so versteckte die Königsfamilie sie im Schloss. Eines Tages drang ein seltsames Tier in den Schlossgarten ein, das ganz aus grauem Fell war und sieben funkelnde Augen hatte. Alle anderen Tiere verschreckte es so, dass sie nimmermehr gesehen wurden. Kein Vogel sang mehr im Park und die Blumen verloren ihren Glanz, wenn das Tier an ihnen vorbeistrich. Bald war die ganze Pracht, war der ganze Glanz des Gartens dahin. Es wurde still und duster. So geriet der König in Not, denn niemand wollte mehr im Schloss arbeiten und für die beiden ältesten Schwestern fand sich kein Bräutigam. Jeder mied die Nähe des Schlosses. Da wurde dem eine der Königstöchter versprochen, dem es gelingen würde, das Tier zu vertreiben. Das hörte ein junger Bauernsohn. Dieser hatte das Tier noch nie zuvor gesehen und hatte sich immer nur ein Bild aus den Erzählungen gemacht. Als er das Tier sah erschrak er. Doch dann fand er es seltsamerweise spannend, wie es so umher lief. Nach einiger Zeit fiel ihm auf, dass sich das Tier fast immer an ein und derselben Stelle aufhielt. So ging er ins Schloss und fragte, was es mit dieser Stelle auf sich habe. Erst zögerte der König, doch dann sagte er: “Dort wohnt Siebenfing.” “Wer ist das?” fragte der Bauernjunge. “Das ist meine dritte Tochter. Sie wohnt dort unten in einem Keller, damit sie niemand zu Gesicht bekommt. Aber wenn das Tier sie so sehr mag, dann soll sie heraus kommen.” Siebenfing kam aus ihrem Verlies und spürte, dass sie das Tier berühren musste. Kaum hatte sie das Tier angefasst, da bildete sich ein hell leuchtender Ball um die Prinzessin und das Tier. Als sich dieser wieder öffnete, war das Tier verschwunden und es standen sieben Rehe neben der Prinzessin. Und jeder der eines dieser Rehe berührte, wurde ein glücklicher Mensch. Siebenfing aber wurde wunderschön und hatte von nun an fünf Finger an jeder Hand. Da sagte der König zum Bauernjungen: “Du hast das Tier vertrieben, dafür sollst du eine meiner Töchter zur Frau haben.” Der Bauernjunge entschied sich für Prinzessin Siebenfing und schon bald wurde die Hochzeit gefeiert. Und wenn sie nicht gestorben sind, dann leben sie noch heute – im glücklichsten Königsreich der Welt.“

Quelle: https://www.gutefrage.net/frage/wer-kennt-das-maerchen-siebenfing

In der Arbeit der Kollegin endete das Märchen an der Stelle, als der Königssohn von dem Tier im Schloss erfuhr und dem Versprechen des Königs, seine Tochter zu erhalten, wenn das Tier vertrieben werden kann.

Was soll ich sagen… Ich hörte die Fortsetzungen der zukünftigen Dichter und Denker, die eine Woche früher ihre Arbeit geschrieben hatten und entschied aber unverzüglich, mir diese gequirlten, geistigen Ergüsse nicht anzutun. Denn von Diversität und Akzeptanz waren wir da noch ganz weit entfernt.

By the way ich hätte es toll gefunden, wenn Siebenfing ihre Einzigartigkeit beibehalten hätte, aber was wollen wir erwarten von Märchen, die größtenteils im 16.Jahrhundert entstanden. Da ist dieses hier ja bereits als fortschrittlich zu bezeichnen. Denn zumindest gibt es für das Mädchen ein Happy End und sie wird nicht mit dem wilden Tier irgendwo im Nirvana von irgendeiner anderen Märchenfigur abgeschlachtet. Vielleicht half ja die Besprechung des Märchenendes einigen Intelligenzbolzen über ihre Weltansicht nachzudenken, auch wenn das sicherlich nur eine kleine Hoffnung meinerseits darstellt. Ach nee, ich muss ja positiv denken hihi 😊…

Bildquelle: https://www.schreiben.net/artikel/maerchen-erzaehlen-2498/