- Meine unterschiedlichen Schwangerschaftenvon suetirilu
Die Erste – unbeschwert ist nie verkehrt
Von meinem großen Sohn erfuhr ich erst in der achten Schwangerschaftswoche, denn die Ärzte überzeugten mich mehr oder weniger davon, dass ich nicht schwanger sein konnte. Ein sogenanntes PCO-Syndrom wurde bei mir diagnostiziert. Es hieß daraufhin, dass ich mich mit großer Wahrscheinlichkeit auf eine Kinderwunschklinik vorbereiten solle. Zehntausend Untersuchungen folgten – klar Privatpatient olè olè. Im Januar war ich schließlich bei einem Endokrinologen, also ein Arzt, der sich mit Hormonen wunderbar auskennt – denkt man zumindest. Drei Mal wurde mir Blut abgenommen, ebenso Urin. Was er mir verschreiben wollte, waren irgendwelche Tabletten für Diabetes Typ I Patienten, als Experiment!!! Was er nicht feststellte, war meine bereits existierende Schwangerschaft in der sechsten Woche.
In meinem Leben habe ich mittlerweile eins gelernt, ich kann viele Sachen sicherlich nicht, aber was ich kann, das ist, mich auf mein Gefühl zu verlassen. Mein Innerstes schrie mich die ganze Zeit an: „Sue, du hast 15 Jahre die Antibabypille genommen! Es ist normal, dass du nicht in den ersten drei Monaten schwanger werden kannst. Lass dir keine Krankheiten einreden, die du nicht hast. Die verdienen nur an dir!!!“.
Gott sei Dank haben wir im Freundeskreis einen Arzt, den ich um Rat fragen konnte. Ohne ihn, der mir dringend vor der Einnahme der rezeptierten Tabletten abriet, wäre mein Sohn heute wahrscheinlich nicht auf der Welt.
Nachdem ich den Valentinstag 2018 mal wieder verschwitzt hatte, ich aber hörte, wie mein Mann unten irgendetwas für mich vorbereitete, überkam mich, wie gefühlt jedes zweite Jahr (inklusive aller vergessener Jahrestage) ein unglaublich schlechtes Gewissen. „Wie schleiche ich mich jetzt an ihm vorbei und besorge noch fix etwas, ohne dass er mich sieht?“, fragte ich mich – Mission impossible, musste ich mir dabei eingestehen. Aber auch hier half mir meine Intuition weiter, denn ich spürte seit Wochen, dass etwas anders war. Mein Lieblingswein schmeckte plötzlich nicht mehr. Die Zigarette, die ich mir hin und wieder dabei gönnte, war widerlich. Und der Welpe, der nicht hören wollte und lieber im Schnee oder zu den Nachbarn verschwand, war mir unter meinen plötzlichen Spuckanfällen kurzzeitig auch völlig egal. „Ja, Sue, bestimmt etwas eingefangen. Ist ja schließlich Winter“, so redete ich mir die deutlichen Anzeichen aus, immerhin war ich ja beim Arzt, also beim Facharzt…
Dennoch überkam mich an jenem Mittwochmorgen das unglaubliche Gefühl, dass mich ein Schwangerschaftstest aus der Misere retten könnte. Fix noch ein: „Guten Morgen Schatz, komme gleich, mach‘ mich nur kurz frisch“, nach unten posaunt und schon war ich mit dem Schwangerschaftstest, der auch vor wenigen Tagen instinktiv in meinem Einkaufswagen landete, im Bad verschwunden. Diese Minuten, die dieses Ding braucht, um sich zu verfärben, können einen schon ziemlich lang vorkommen, obwohl man gerade einmal Zähne geputzt hatte. Gefühlt alle zehn Sekunden schaute ich darauf und ja, es wurde immer deutlicher: SCHWANGER.
Kurzzeitig war ich völlig überfordert und musste mich erst einmal auf die Badewanne setzen, dabei aber aufpassen, dass ich nicht hinein plumpste. Klar, auf der einen Seite hatte ich nun auch endlich eine Überraschung zum Verknutschtentag, ohne noch einmal losfahren zu müssen, auf der anderen Seite war ich schwanger – ich, die sich erst in zwei Jahren mit dem Thema befassen wollte, da ich ja angeblich extrem schwer auf natürlichem Weg schwanger werden konnte.
Zwei Dinge gingen mir sofort durch den Kopf: 1. Du hast neulich noch mit deinen Freunden Kuba befreit, 2. Du wurdest an deine absolute Wunschschule zurückversetzt und jetzt bist du schwanger.
Egal! Nachdem ich mich einige Minuten gesammelt hatte, war mir klar, dass mein Freund und ich das schon alles hinbekämen, das Baby pudelgesund sein wird und meine Feier-Eskapaden mit Eva und Uli keinerlei Auswirkungen auf die Gesundheit des Neugeborenen haben werden. Woher ich das wusste? Das kann ich wie immer nicht beantworten. Ich hatte es im Gefühl oder auch im Urin, wie man manchmal so schön sagt.
Nachdem auch mein Schatz, auf den in ein Küchentuch eingewickelten Test mit: „Coolio“ reagierte, war die Sache geritzt und ich erlebte 39 Wochen die unbeschwerteste Schwangerschaft aller Zeiten. Ich sorgte mich nicht, es zwickte nirgendwo (ich strich sogar in der 39.SSW noch ein komplettes Zimmer allein in unserem Haus) und wir waren als Paar einfach nur HAPPY – Liebe + Baby + Hund + Haus mit Garten = glückliche Familie.
- Die Gewissheitvon suetirilu
„Frau L , ihr Kind scheint von allen Organen her gesund, auch das Wachstum ist altersentsprechend. Allerdings habe ich etwas festgestellt…“. Absolute Panik ergriff mich. Innerlich versuchte ich dennoch ruhig zu bleiben. „Was soll schon Schwerwiegendes sein?“, versuchte ich mir noch einzureden. „Ärzte und ihre Theatralik bei Dingen, die dann gar nicht so schlimm sind…“.
„Ich sehe keine rechte Hand bei Ihrem Kind“, riss mich der Arzt aus meinen Gedanken. „Wie keine rechte Hand?“, fragte ich nach. Mir blieb die Luft weg. Hätte ich nicht auf dem Gynäkologenstuhl gelegen, hätte es mir nicht nur sprichwörtlich den Boden unter den Füßen weggerissen. Ich kämpfte mit den Tränen, wollte aber professionell bleiben – was für ein unglaublich dämlicher Gedanke in so einer Situation. Aber so bin ich, wenige Menschen möchte ich in meine Seele sehen lassen.
„Er täuscht sich sicher. Eine Zweitmeinung! Ich will sofort eine Zweitmeinung!“, schoss es mir durch den Kopf, obwohl ich in diesem Moment genau wusste, dass es das war, was mich die ganze Zeit nicht losgelassen hatte.
Sichtlich betroffen, versuchte der Arzt mir zu erklären, dass er mir leider dahingehend keine Hoffnung machen kann, dass sich noch irgendetwas entwickelt. „Zwischen dem 24-50ten Tag entwickeln sich die Gliedmaßen. Alles, was bis dahin nicht angelegt wurde, wächst auch nicht mehr.“, erklärte er mir. Die Armknochen seien gleich lang, eventuell gebe es einen Daumen, aber er sehe keine Mittelhand oder Finger, maximal Fingerknospen. Woher das käme, sei zu wenig erforscht. Ich solle mir aber auf keinen Fall Vorwürfe machen, dafür sei die Zellteilung zu komplex und es gebe sehr unterschiedliche Ursachen, für die ich absolut nichts könne.
Mein Gehirn lief auf Hochtouren und viele Fragen umgaben mich: „Warum wir? Was habe ICH falsch gemacht? Stimmt etwas mit MEINER Genetik nicht? Hätte ICH nicht zum Friseur gehen dürfen? Habe ICH zu enge Hosen in der Frühschwangerschaft getragen? Wieso bekommen drogen- oder alkoholabhängige Frauen gesunde Kinder und ICH nicht? Wie wird mein Mann reagieren? Wie meine Familie?“…
„Frau L, ehrlich gesagt glaube ich nicht, dass Ihnen mein Kollege etwas anderes sagen wird, aber wenn Sie wollen, kann ich Ihnen einen Termin für eine Zweitmeinung bei einem Pränataldiagnostiker vereinbaren.“, holte mich Dr. K aus meiner Gedankenwelt. „Ja, das wäre gut“, stammelte ich und rang wieder mit den Tränen. „Es tut mir sehr leid, dass ich Ihnen das mitteilen musste. Bitte bleiben Sie stark. Ich werde Sie bezüglich des Termins umgehend telefonisch kontaktieren.“ Daraufhin drückte mir Dr. K noch seine Karte in die Hand, auf der auch seine Handynummer stand. „Bitte rufen Sie mich jederzeit an, wenn Sie Fragen haben“, sagte er. Den Umgang mit mir als Patientin hätte ich mir in diesem Moment natürlich besser nicht wünschen können. Sicherlich hatte der Arzt mir keine frohe Kunde gebracht, aber was hätte er machen sollen? Es verheimlichen? Dennoch muss ich natürlich an dieser Stelle loswerden, dass es Zeitalter gab, wo es für den Boten nicht gut endete ;-).